FÜR NEUE MUSIK ZÜRICH
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08.09.2012  20:00  Langenbruck, Kloster Schönthal

Musik aus alter und neuer Zeit

Carlo Gesualdo di Venosa (1561-1613)
«tenebrae (remembering Gesualdo)»
(eingerichtet von M.Schmid)

Martin Schmid (*1971)
«first light» (2011) UA
für Sopran und Ensemble

ensemble für neue musik zürich
Hans-Peter Frehner/Flöte
Donna Molinari/Klarinette
Viktor Müller/Piano
Sebastian Hofmann/Percussion
Urs Bumbacher/Violine
Nicola Romanò/Violoncello

Catriona Bühler/Sopran
Andreas Brenner/Leitung



Kontext und Entstehung
Die Idee zum Stück entstand aus der Arbeit an meinen zwei Mini-Zyklen «songs of light» und «five windows» für Sopran und Klavier. Ich möchte den Farbenreichtum meiner Musik auffächern und die Sopranstimme in ein subtil differenziertes Klanggewölbe (oder Verklinggewölbe) und in einen grösseren Zeit-Raum einbetten.
Da die Klänge viel Raum zur Entfaltung und vor allem für das Verklingen bekommen, ist das Stück auch wesentlich länger als die Zyklus-Stücke mit Klavier. Die Harmonien schweben und die Melodie fliegt. Die Sopranstimme wird dabei wie in der Alten Musik behandelt: Mit wenig Vibrato und sehr klar. Die Musik arbeitet zudem immer wieder mit modalen Elementen, setzt diese aber in einen neuen Kontext. Sie arbeitet auch mit Raumelementen, wie wir sie aus der Alten Musik kennen.
Ohnehin schöpft diese Musik aus einem ähnlichen Kontext wie die Alte Musik. Damals, als alles möglich war, als noch keine dogmatische Regeln herrschten wie z.B. in der Klassik, als ein unbeschriebenes Blatt Papier noch nicht schon vor dem ersten Setzen einer Note Harmonieregeln und Satzbau atmete, sondern noch ein unbeschriebenes Blatt war, auf dem sich Klänge und Melodien ungehindert ausbreiten konnten. Jene kurze Zeit der Musik-geschichte also, in der zum Beispiel Perotinus mit Mehrstimmigkeit experimentierte oder es von der gesteigerten chromatischen Expressivität Gesualdos nur ein kleiner Schritt in die Atonalität gewesen wäre. Bevor alles schön rational geordnet und reglementiert wurde. Heute kann sich der Komponist in derselben Freiheit (oder Unvoreingenommenheit) bewegen, wenn er sich vom Zwang zur «Avantgarde» löst, ohne sie oder irgend etwas zu verneinen, sondern sich differenzierend und integrierend in der Fülle des leeren Arbeitsblattes
und des Menschseins bewegt.

Martin Schmid
17. März 2024
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