FÜR NEUE MUSIK ZÜRICH
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26.11.2016  15:00  Zürich, Theater Neumarkt


Chris Wiesendanger

Foto: John Rogers

Festival Unerhört

WIE EIN BAND AUFROLLEN UND INS FEUER WERFEN
von Chris Wiesendanger


Infos zur Komposition

Sonoe Kato           Gesang
Chris Wiesendanger   Klavier
Christian Weber      Kontrabass

ensemble für neue musik zürich
Hans-Peter Frehner   Flöte
Manfred Spitaler     Klarinette
Viktor Müller        Klavier
Lorenz Haas          Schlagzeug
Urs Bumbacher        Violine
Nicola Romanò        Violoncello

Infos


Wie ein Band aufrollen und ins Feuer werfen
Chris Wiesendanger schreibt:

Das Geschehen

Geheimnisvoll wie der Mondschein - leise wie das Zirpen von Insekten - und sanft wie die Tautropfen auf den Gräsern.

Die Geschichte weist keine zeitliche Linearität auf. Sie erzählt vom Werden und vom Vergehen, welches sich gegenseitig durchdringt.

Den langen Weg, den Du gehen musst, möchte ich wie ein Band aufrollen und ins Feuer werfen - in ein Himmelsfeuer! (Sano no Otogami no Otomoe / geschrieben im Jahr 739).

Aufstellung der Musiker

Die Musiker sollten guten Sichtkontakt zueinander haben. Alle sind in einem Halbkreis aufgestellt. Auch die Sängerin steht wie die Instrumente in diesem Halbkreis und ist nicht besonders exponiert. Flügel und E-Piano bilden das Aussen des Halbkreises.

Grundaufstellung (GA): von links nach rechts im Halbkreis: Flügel, Kontrabass, Gesang, Klarinette, Flöte, Percussion, Geige, Cello, E-Piano.

Bei bestimmten Liedern treten einzelne Musiker in den Halbkreis (wie in der Partitur vermerkt).

Ein paar Gedanken zu diesem Liederzyklus

Am Anfang steht die alte Frage: Wie lassen sich Worte vertonen, wie in Musik fassen? Ich habe es immer als delikat empfunden, Worte in Musik zu setzen. Wie soll sich Musik zu einem Text verhalten? Ich bin der Meinung, dass Lyrik, aber auch jeder andere gute Text, eigentlich gar keiner Musik bedarf. Die Worte haben ihre eigene Kraft, erzeugen Resonanz im Leser oder Zuhörer. Wie also soll oder kann Musik den Worten etwas hinzufügen ohne bloss illustrativ zu sein? Und wann und wo, bei welchem Text, ist eine Vertonung sinnvoll - im Sinn von Ergänzung, Kommentar, Gespräch, einer anderen Beleuchtung? Ich stelle mir Worte gern als kleine feste Einheiten im Raum vor und möchte als Komponist meine Töne und Klänge in die Ritzen zwischen die Buchstaben und Worte setzen, die Zwischenräume eines Textes auffinden und in dieses Gefüge eindringen. Worte haben eine Materialität, Eigenschaften welche atrributiv umschrieben werden können: weich, hart, fliessend, beweglich. Ich stelle mir vor wie sich ein Ton auf dieser Oberfläche bewegt, Hindernisse überwindet, seinen Weg suchend. Das Wort hinterlässt einen Schatten auf dem Ton, eine Einschreibung als bleibendes Zeichen der Begegnung.

Texte

とまるべき

Verführt vom Mond, wandert einer vorbei an seiner Herberge, folgt spätnachts dem Weg, den er anderntags gehen wollte (Kyogoku Tamekane)



Im Frühling Kirschblüten, im Sommer der Ruf des Kucckucks, im Herbst der Vollmond, im Winter kalter Glanz des Schnees: erquickende Reinheit! (Dogen)



Ohne Farbenpracht langsam welkende Blume: das Menschenherz, das aufblüht und vergeht in dieser Welt (Ono No Komachi)

もみちば

Rotes Herbstlaub treibt den Fluss hinunter zum Hafen: wo sich das Wasser staut spielen die Wellen wohl in leuchtendem Purpur (Sosei Hoshi)

むらさめの

Vom Regenguss die Tropfen sind noch nicht getrocknet an den Zedernblättern steigt der Nebel auf im Abenddämmerlicht des Herbst (Jakuren Hoshi)

白露

Wenn ein heftiger Wind durch die glitzernden Tautropfen des Herbstfeldes fegt liegen sie ringsum verstreut: Perlen ohne Perlenschnur (Funya No Asayasu)
18. Januar 2017
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