FÜR NEUE MUSIK ZÜRICH
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07.04.2022  20:00  Zürich, Kunstraum Walcheturm
08.04.2022  20:00  Zofingen, Palass


Stöckli - Ustwolskaja - Neuman - Neurath




Bild
Bild: Vera Mattmann

Jochen Neurath N° 25. Daheim (Echos III)2021 für Klavier UA
Dreistimmige Invention mit obligatem Metronom.

Bruno Stöckli: «Getönt» (1997) Neufassung
für Flöte, Klarinette, Klavier, Schlagzeug, Violine, Violoncello

Galina Iwanowna Ustwolskaja: «Sonate Nr. 4» für Klavier solo

Bruno Stöckli: «Souvenir» (2016) Neufassung
für Flöte, Klarinette, Klavier, Schlagzeug, Violine, Violoncello

Yoshua Neuman: „Klang aus der Steppe“ UA
für Flöte, Klarinette, Horn, Schlagzeug, Violine, Violoncello, Kontrabass

Bruno Stöckli: "Makadam" (2019) UA
für Flöte, Klarinette, Horn, Klavier, Schlagzeug, Violine, Violoncello, Kontrabass

ensemble für neue musik zürich
Hanspeter Frehner/Flöte
Manfred Spitaler/Klarinette
Lorenz Raths/Horn
Viktor Müller/Klavier
Lorenz Haas/Schlagzeug
David Sontòn-Caflisch/Violine
Nicola Romanò/Violoncello
Daniel Sailer/Kontrabass

Bruno Stöckli/Leitung











Bruno Stöckli (1960) studierte am Konservatorium Zürich (Horn) und absolvierte die Ausbildung zum Kapellmeister an der Musikhochschule Basel. (Unterricht bei Antal Dorati, Horst Stein, Lothar Zagrosek, Ralph Weikert u.a.) Er studierte Komposition bei H. U. Lehmann und nahm an Kompositions-Workshops von Mauricio Kagel und Luciano Berio teil. Viele Jahre arbeitete er mit dem Ensemble für neue Musik, Zürich zusammen und leitete daneben das Ensemble Theater am Gleis TAG in Winterthur. Neben seiner kompositorischen Tätigkeit leitet er heute das Orchester der Stadt Burgdorf und unterrichtet an der alten und neuen Kantonsschule in Aarau, sowie an diversen Musikschulen. Lebt und arbeitet in Lenzburg.
 B.S.

Mit Bruno Stöckli arbeiten wir seit 1990 als Dirigent zusammen und wir haben seit 1994 9 Werke von ihm uraufgeführt. Makadam wird die zehnte UA sein. HPF



GETÖNT (1997), 8 Albumblätter

1. Qin
Die Qin ist eine alte chinesische Griffbrettzither. Sie war das klassische Instrument der Gelehrten, Maler und Dichter. Die Zartheit ihres Tones vermag sich nur schwer durchzusetzen, daher zielt sie weniger auf äußerliche Wirkungen, sondern war seit jeher für die private Meditation gedacht. Eine ihrer Besonderheiten sind die „leeren“ oder „stillen“ Töne: Nachdem ein gegriffener Ton auf der Saite angeschlagen worden ist, gleitet der Greiffinger zur Position des neuen Tones, der aber ohne weiteren Anschlag erklingt. Je länger ein solches Glissando dauert, desto leiser werden die Töne, bis sie schon nach dem dritten Ton unhörbar werden. Der Spieler fühlt also die Töne nur noch mit seinen Fingern und hört sie innerlich weiter.

2. (Ohne Titel)
Zwei Albumblätter für Yaoshan Weiyan
Als der hohe Beamte Li Ao den Zen-Meister Yaoshan Weiyan (751-834) in seiner Einsiedelei im Wald besuchte und um Unterweisung bat, ignorierte dieser den illustren Gast völlig. Derartig provoziert, äußerte der ungeduldig gewordene Würdenträger respektlos: „Euer Antlitz zu sehen ist weniger eindrucksvoll als euren Namen zu hören.“ (Yaoshans asketischer Körper war dürr wie der eines Kranichs.) Darauf erwiderte der Zen-Meister gelassen: „Wie könnte es Euch gelingen, das Auge zu verachten und das Ohr zu preisen?“ Li Ao verneigte sich beeindruckt und fragte: „Welches ist der rechte Weg {zur Erleuchtung}“? Yaoshan, hinter einem Steintisch sitzend, auf dem eine Vase mit einem blühenden Pflaumenzweig stand, antwortete, indem er mit einem Finger nach oben zeigte und mit der anderen Hand nach unten wies. Doch der Beamte verstand das seltsame Deuten nicht, so dass der Zen-Meister schließlich hinzufügte: „Die Wolken sind am Himmel, das Wasser ist in der Vase.“

3. Das Wasser ist in der Vase

4. Die Wolken sind am Himmel

5. Junkus effusus (Flatterbinse)
Aus dem starr aufrecht gewachsenen, jedoch elastischen Stängel sprießt als Blütenstand seitwärts eine zierliche Spirre, die wie ein Fähnchen flattert, wenn der Wind durch das Büschel fährt.

6. Gruss an Anton Webern
Anton Webern (1883-1945): österreichischer Komponist und unangefochtener Meister musikalischer Aphoristik.

7. Wolsmusik
Wols (1913-1951) war ein deutsch-französischer Maler und Fotograf. Er gilt als wichtiger Wegbereiter des Tachismus und des Informel. Seine Mischtechniken (insbesondere die „Grattage“, das Kratzen in die noch feuchte Farbe), haben mich zu einem akustischen Bild inspiriert.

8. Augenblick



SOUVENIR (2016)
Im Verlauf von Edgard Varèses Hyperprism taucht ein Akkord auf, der mich für längere Zeit beschäftigte. Jedoch nicht der Akkord an sich fesselte meine Aufmerksamkeit – seine Struktur ist nicht besonders interessant – vielmehr ist es die Art und Weise seines Auftauchens, die Unmittelbarkeit, mit der er – wie viele Klangobjekte in Varèses Musik – in das zeitliche Gefüge eintritt: als reine Präsenz sozusagen, wie ein Meteorit, der scheinbar ohne Herkunft in die Ebene der Zeit einschlägt und der in Souvenir einen Echo-Raum findet: so zu Beginn in vielfacher Wiederholung – die Erinnerung der Erinnerung der Erinnerung – bis allmählich ein komplementäres Element das statische Geschehen belebt und mit seiner ornamentalen Gestik überwuchert; so im zweiten Teil, wenn unser Akkord ein neues harmonisches Material generiert oder im dritten Teil seine homophone Struktur in Figurationen auflöst.



MAKADAM (2019)
Makadam: Straßenbelag, bestehend aus 3 Schichten verdichtetem Schotter mit verschiedenen Korngrößen, nach dem Erfinder, John Loudon McAdam (1756-1836) benannt.



Joshua Neuman wurde von Schostakowitsch als Schüler abgelehnt.
Er sammelte aber Handschriften seiner zeitgenössischen Komponisten: Skizzen, Partiturentwürfe, Kneipenrechnungen, alles, was die Kollegen nicht mehr brauchten.

In den 70ern, die genaue Jahreszahl lässt sich anhand der wenigen vorhandenen Dokumente nicht mehr ermitteln, wurde er wegen vorgeblicher Schizophrenie mit gemeingefährlichen Anteilen in ein Lager in Krasnojarsk (Sibirien) verbracht.
Dort schrieb er in wildem Eifer die mitgebrachten Werke seiner Kollegen wieder und wieder ab, veränderte hier und dort Details, gab den Stücken andere Titel, und eignete sich so in einer Weise, die in erstaunlicher Weise dem gleichzeitig in den USA entstehenden Re-enactment gleicht, die Erfindungen anderer Künstler an.
Unter ungeklärten Umständen wurde er, vermutlich von Mitinsassen seines Lagers auf grausame Weise zugerichtet, in den frühen Morgenstunden eines nebligen Herbsttages kopflos aufgefunden.

Seine Habseligkeiten wurden dem einzig auffindbaren Verwandten, einem Cousin zweiten Grades, überstellt, der bis zu seinem Tod mit den Papieren seinen Ofen heizte.
Mit der nach der Glasnost einsetzenden Erforschung der sowjetischen Psychiatrie-Geschichte wurden auch die wenigen noch auffindbaren Handschriften Neumanns gesichtet und in den kunsthistorischen Kontext eingeordnet.
Aufführungen seiner „Werke“ sind weiterhin selten, und finden meist im Rahmen wissenschaftstheoretischer Kongresse statt.

Nr.25 Daheim (Echos III) von Jochen Neurath (2021)
für Viktor Müller

Odysseus ist wieder daheim in Ithaka. Von seiner Gattin Penelope erlernt er die Kunst, Zwölftonreihen zu knüpfen. Nachts, wenn er von seinen Irrfahrten und den verstorbenen Gefährten träumt, trennt er die Reihen wieder auf. Das Mittelmeer trocknet aus und schrumpft zu einem Bach.

Jochen Neurath (1968)
studierte Komposition in Berlin und Hamburg.
Seitdem als freischaffender Komponist und Arrangeur tätig.
2001 – 2006 „Composer in Residence“ der Staatsoper Hannover.
2001 Schauspielmusik zu Nicolas Stemanns „Orestie“-Inszenierung am Schauspiel Hannover.
2003 Mitarbeit an Christoph Marthalers Projekt „Lieber Nicht“ an der Volksbühne Berlin. Musikalischer Berater und Arrangeur bei Produktionen von Anna Viebrock:
2002 in Zürich „In Vain“ mit Sylvain Cambreling und dem Klangforum Wien,
2005 in Berlin „Ohne Leben Tod“ mit Johannes Harneit.
2007 Kammerorchesterfassung von Bachs „Kunst der Fuge“ für die Sinfonietta Leipzig. Daraufhin Auftrag von Riccardo Chailly zur Orchestration von Bachs „Goldberg-Variationen“ für das Gewandhausorchester Leipzig, UA beim Bachfest Leipzig 2012.
2009 „Exposition“ für das Deutsche Guggenheim Berlin.
2014 „Gefrorene Träume“ in der Kilianskirche Heilbronn
2015 „Missa Sine Domine“ mit efnmz in der Kunsthalle Zürich.
2017 "Stimmen der Nacht" in Zürich, Solothurn, Heilbronn, Schwaigern mit efnmz
2017 Alban Berg, „Lulu“, Bearbeitung des III. Aktes für die Hamburgische Staatsoper, Dirigent Kent Nagano.
Jochen Neurath arbeitet seit 1995 regelmässig in vielen Projekten mit dem "ensemble für neue musik zürich" zusammen.
15. Februar 2024
© ensemble für neue musik zürich, Gutstrasse 89, CH-8055 Zürich
T +41 (0)44 383 81 81, M +41 (0)79 207 55 92
info(at)ensemble.ch, www.ensemble.ch/archiv/?det_id=404/