ARCHIV
13.04.2007 20:00 Gare du Nord, Basel
14.04.2007 20:00 Kunsthalle Zürich
15.04.2007 17:00 alte Kirche Boswil
19.45/16.45 Konzerteinführung durch Johannes Harneit
Bruno Stöckli
"Fall" (1996/2000) für Hn,Vc,Pf UA
„L.A.C.(V3)“ (2001/04) für Streichtrio UA
"Bribes" (2001) für Va,Vc,Pos,Tuba,Pf UA
„Sieben Entretiens“ für (2004) Fl,Kl,Vl,Pf
„Dekaphonie“ (2007) UA für Fl,Kl,Hn,Pos,Tub,Vl,Va,Vc,Pf,Perc
mit einem Film des bildenden Künstlers Rolf Winnewisser
ensemble für neue musik zürich
Hans-Peter Frehner/Flöten
Manfred Spitaler/Klarinetten
Lorenz Raths/Horn
Theo Banz/Posaune
Marc Unternährer/Tuba
Lorenz Haas/Schlagzeug
Viktor Müller/Klavier
Urs Bumbacher/Violine
Christian Zgraggen/Viola
Nicola Romanò/Violoncello
Johannes Harneit/Leitung
Fall (1996)
Einfall – 1 Fall – ein Fallen – Unfall und Abfall – schliesslich der Gerichtsfall: Anfang allen Zerlegens und Teilens.
„Fall“ ist ein Versuch über das Unmittelbare, die Realpräsenz des Klangs.
(Das Zufallen einer elementaren Geste. - Deren rituelle Wiederholung. - Die Aufhebung der Zeit im einen, einzigen Ton, dem Einton: Unison. Das Ein-tönige als Verkörperung des Aus-zeitigen.)
Bribes (2001)
„Bribes“ (frz.), Brocken. – (Gut möglich, dass Kierkegaards „Philosophische Brocken“ dem Namen Pate standen.)
Hier ist die Musik auf ihre elementarsten Bestandteile reduziert: den isolierten Ton und die ihn umgebende Pause. Präsenz und Absenz von Klang stehen gleichberechtigt nebeneinander: das eine bedingt das andere.
Dies lenkt unser Ohrenmerk auf die Qualität des Klangs (wie auch des Nichtklangs): seine physischen Eigenschaften treten in den Vordergrund. Wir erwägen gleichsam sein spezifisches Gewicht, ertasten die Struktur seiner Oberfläche, fühlen seine Temperatur etc.
L.A.C. (V3)
Streichtrio (2001-2003/04)
L.A.C. (V3) – (eine Permutation der drei Instrumentennamen Vl. Va. Vc.) – ist ein weiterer Versuch über die Unmittelbarkeit.
Es handelt sich um eine Art Pseudo-„ecriture automatique“: nichts soll dargestellt werden, als die Funktionsweise unseres Gedächtnisses selbst: Erinnerungen kommen und gehen – einige werden festgehalten, vorgehalten, andere tauchen ungefragt auf, drängen sich von selbst in den Vordergrund; einiges verknüpft sich nach logischen Kriterien, anderes folgt sich aus blosser Manie.
Musik, die sich bewegt: doch scheinbar ohne Ziel – die wartet, lauscht, die ein paar Schritte tut, bald zögernd, bald entschlossen, mal vorwärts, mal rückwärts, auch zur Seite – und wieder wartet, lauscht...
Wir versuchen zu erinnern, was war. Wir möchten ahnen, was sein wird. Deshalb nehmen wir für gewöhnlich Zuflucht zu REPRODUKTIONEN des Vergangenen, der PLANUNG des Kommenden.
(n+1)-Form: Schritt für Schritt (Viertelnote auf Viertelnote)
Jeder neue Schritt ist immer auch der letzte Schritt.
7 Entretiens (2004)
Sieben Unterhaltungen
1. Toccatonaise
Mit Sebastian Bach (Polonaise aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena).
Es dreht sich wieder mal alles um Permutationen. – Und wo von Spiegelformen die Rede ist, da ist auch Anton Webern nicht weit... Prompt huscht sein Schatten während des Gesprächs am Fenster vorbei.
2. Mit Cajkovskij
Cajkovskij`s Transkription russischer Volkslieder für Klavier zu vier Händen ist meiner Ansicht nach eine Uebersetzertätigkeit – gerade so wie die erneute Transkription seiner Musik in unsere Zeit.
2. Etude d`échauffement/Czerny à l`échafaud
Carl Czerny: Niemand spricht seinen Namen mit heiligem Schauder aus. Aber es gibt kaum einen Pianisten, der nicht einige Sprossen seiner Karriereleiter aus echtem Czerny- Holz gefertigt hätte.
4. Ecossaise
Die Wiederholung in sich kreisender Motive zeichnet viele Musik von Franz Schubert aus. So auch diese Ecossaise, deren schnurrende Begleitung sich hier allerdings nicht mehr so recht mit den Rädchen der Melodie verzahnen will.
5. Mit Schubert II
Antwort auf einen weiteren Schubert-Tanz, der sich auf die Exposition einiger Hornquinten beschränkt. Hornquinten: Schlüssel-Konstellation in der ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Musikgeschichte nachklingt.
6. Fantasie über Ut Re Mi Fa Sol La
Ein spätes Echo von William Bird`s Komposition für Virginal – oder unsere vage Erinnerung an sie.
7. Choral
Ausgangsmaterial dieses Stücks war ein Akkord aus „Hyperprism“ von Edgard Varèse. Seltsamerweise ist daraus ein Choral entstanden... Was aber den Vorteil hat, dass wir wieder bei Bach angelangt wären und der gewiss ehrenwerten Tradition, eine Musik mit dieser Gattung zu beschliessen.
Dekaphonie (2006)
In „Dekaphonie“ ist wieder ein gewisses konstruktives, operatives Vorgehen zugelassen. Der isolierte Ton (Unison) tritt vermehrt in harmonische Verbände („Akkorde“) ein oder fügt sich zu melodieähnlichen Gebilden.
Die Skalierung des Tonraums ist übrigens von der Obertonreihe über dem Grundton B abgeleitet – so wie er zu Beginn von allen Instrumenten exponiert wird und zum Schluss als rekapitulierender Septakkord im Klavier nachhallt – was zur Folge hat, dass hier auch Vierteltonschritte Verwendung finden. Das Klanggeschehen selber aber vermischt spektrales und dodekaphones Gedankengut in reichlich unorthodoxer Weise.
Rolf Winnewisser liess sich von meiner appoximativen Klavierversion dieser Musik zu einem Film inspirieren und kreierte – in Umkehrung des handelsüblichen Verfahrens – für einmal eine „Filmspur“ zur Musik.
Es handelt sich allerdings – unnötig darauf hinzuweisen, wer die Arbeitsweise von diesem Künstler kennt – nicht um eine Untermalung der Musik, sondern um ein eigenständiges Gebilde, das mit der Musik in einen freien Dialog tritt.